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Am 3.7.2024 fand in Gauting (Veranstaltungsraum Bosco) eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung statt mit dem Titel

Windkraft im Würmtal – Wie kriegen wir das hin?

Dabei konnten Fragen schriftlich formuliert werden. Davon wurde auch reger Gebrauch gemacht und 50 Fragen auf Kärtchen geschrieben. 21 davon konnten vom Podium beantwortet werden, 29 blieben aus Zeitgründen zunächst unbeantwortet. Sie wurden nun im Nachgang von den Vortragenden beantwortet.

Die Vortragenden waren:
Herbert Stepp / Brigitte Kössinger / Robert Sing / Rupert Steigenberger /
Michael Sterner / Simon Tangerding

Herbert Stepp, 24.7.2024, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Nr

Frage

Antwort

1

Wohin mit dem Windrad-Schrott / nach wievielen Jahren?

Die Lebensdauer von Windkraftanlagen beträgt ca. 25 Jahre. Die Anlagen werden in der Regel rückgebaut und woanders weiterbetrieben. Falls sie nicht wiederverwendet werden, müssen sie nach einer DIN-Norm recycelt werden. Die Anlagen bestehen überwiegend aus Beton und Stahl, wofür bekannte Recyclingverfahren zur Anwendung kommen. Auch bei Verbundwerkstoffen gibt es solche Verfahren. Die Kosten für den Rückbau werden durch die Anlagenbetreiber getragen, welche dazu baurechtlich verpflichtet werden. 

2

Wird nicht u.a. sehr umweltschädliches und teures Material verbaut? (Balsa/Tropenholz, Carbon)

s. Frage 1

3

Natürlich zerstören Windräder die Kaltluftströme. Sie erwärmen den Boden und verändern die Windgeschwindigkeit und die Niederschläge. Alles bewiesen.

Die Effekte, die Sie nennen, sind zunächst mal sehr klein und ziemlich lokal, und treten überhaupt nur dann auf, wenn sich die Windräder drehen. Kaltluftströme sind aber dann wichtig, wenn ansonsten Windstille herrschen würde, also nur die Kaminwirkung der heißen Stadt die Luft bewegt. In unserer Lage kommt gelegentlich noch das „alpine Pumpen“ dazu, aber in ähnlichen Windlagen. Da behindern höchstens die Masten den freien Luftzug. Von „zerstören“ der Kaltluftströme kann man keinesfalls reden, schon eher bei den großen offenen Kiesflächen bei Kiesabbau. [HS]

Dass Windenergieanlagen die Windgeschwindigkeit bzw. die Wetterlagen so verändern, dass dies Einflüsse auf Niederschläge nehmen, wird bislang nur von nicht wissenschaftlichen „Instituten“ behauptet. Wir wissen und spüren heute, dass durch den anthropogenen Klimawandel die extremen Wetterereignisse zunehmen. Seriöse Klimawissenschaftler sagten diese Entwicklung schon vor über 30 Jahren voraus. [RS]

4

Warum hat der Gründer des BUND, Enoch zu Guttenberg den BUND unter Protest verlassen, weil der, wie Sie, Windräder im Wald gut findet? Er hat den VLAB gegründet – gegen WKAs

Zu möglichen Hintergründen dieser Entscheidung finden sich aufschlussreiche Informationen auf den Seiten des Lobbyregisters: https://lobbypedia.de/wiki/Bundesinitiative_Vernunftkraft . [HS]

5

Sind Windräder und Permakultur (zusammen) möglich?

Permakulturen sind landwirtschaftliche Kulturen und nicht im Wald angesiedelt.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass im Moment eine anhaltende Diskussion besteht, wie ökologisch hochwertige Flächen in der Nähe von Windkraftanlagen angelegt werden können. Zu vermeiden ist, Arten extra in die Nähe von WKA zu holen. Sicherer ist sicherlich, diese Flächen abseits zu etablieren.

6

Entsorgung der Rotorblätter ist bis heute nicht möglich, wie trennt man die Stoffe?

S. Frage 1

7

SF6-Gas wird viel mehr abgegeben als zulässig durch Leckagen (siehe Messungen offshore-Anlagen). Entsorgung wird nicht überwacht

Schon vom Podium beantwortet, das Büro Sing wird keine SF6-haltigen Anlagen installieren

8

Wie können Sie sagen, dass das Speicherproblem gelöst ist? Wo? Wie? Nur Prototypen, in der Masse technologisch nicht machbar und nicht bezahlbar

Es gibt allein in Deutschland über 1,4 Mio. Batteriespeicher und Hunderte von Gasspeichern mit einer Gesamtkapazität von 260 TWh. Allein diese Energiemenge reicht aus, um über Gaskraft und KWK die Stromversorgung sicher und zuverlässig über 4-5 Monate zu gewährleisten. Die Gasspeicher können mit erneuerbaren Gasen (Power-to-Gas, Biomethan, Wasserstoff, SNG etc.) gefüllt und aus erneuerbaren Energien wie der Windkraft gewonnen werden. Lesen Sie dazu mein Standardwerk „Energiespeicher – Bedarf, Technologien, Integration“ im SpringerNature Verlag. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-48893-5

9

Was ist mit Wärmepumpe? MAN Energy Augsburg hat die größte Wärmepumpe entwickelt, in Dänemark gebaut

Korrekt, neben Methanisierungsreaktoren baut MAN Energy Solution auch Großwärmepumpen. https://www.man-es.com/de

10

Wie kommt es zu der ständig wiederholten Aussage: eine PV bzw. WKA versorgt x-tausend Haushalte, wenn man weiß, dass eine sichere Stromversorgung wegen Wetterabhängigkeit und ohne ausreichende Speicherkapazitäten nicht möglich ist (zumal nach Abschaltung der letzten Grundlast-Kraftwerke)?

Die Speicherkapazitäten sind vorhanden. S. Frage. 8. Der größte Anteil des Wind- und Solarstroms wird direkt genutzt vor Ort oder überregional, verteilt über Stromnetze.

Wir verwenden in der Kommunikation den Begriff des Verbrauch-Äquivalents. Somit entspricht die jährliche Stromerzeugung einer WEA dem Jahresverbrauch von ca. 4.000 Haushalten. Ähnlich verhält es sich bei PV. Wir speisen in den Stromsee des europäischen Verbundnetzes ein, der immer in Balance aus Abnahme und Eispeisung gehalten werden muss. Derzeit wird diese Balance bei einer regenerativen Unterdeckung noch von kalorischen Kraftwerken und teils von AKW oder Pumpspeichern bzw. Laufwasserkraftwerken übernommen, was sich nach und nach ändert. Der Speicherausbau nimmt nennenswert an Fahrt auf und auch die Technologie wird sich weiter verbessern und Lithium mit Salz ersetzt werden. Damit stehen Stromspeicher zu günstigen Preisen und aus unbedenklichen Materialien zur Verfügung. [RS]

11

Die Wirtschaftlichkeit wird nur durch Subventionen (Steuer!) erreicht. Richtig?

Das ist falsch. Die Erlöse werden durch die Direktvermarktung an der Börse (DayAhead, Intraday) oder an Unternehmen (PPA) generiert. Eine Absicherung findet derzeit noch über eine Umlage statt, die perspektivisch entfällt.

12

Wie sehen Sie in Zukunft die Technologie / Rolle der dänischen Fernwärmenetze der 4./5. Generation mit Wind und Solarthermie und saisonalen Wärmespeichern + PV + Biomasse? Welche Rolle sollte die Solarthermie erhalten?

Dänemark ist ein großes Vorbild für die deutsche Energiewende, wurden doch dort bereits nach der ersten Energiekrise in den 1970er Jahren die Weichen richtig gestellt. So hat sich Dänemark als weltgrößter Hersteller von Windkraftanlagen entwickelt. Die Basis für diesen großen industriellen Erfolg war eine breite Akzeptanz der Windkraft (im traditionellen Windkraftland Dänemark mit Windmühlen) durch Landwirte und der ländlichen Bevölkerung. In Dänemark spielt die Solarthermie eine größere Rolle als bei uns, da sie in Kombination mit anderen Erneuerbaren viele Wärmenetze speist und es auch große Anlagen und Netze gibt.

13

Welche Speicherform ist HEUTE schon nutzbar und bezahlbar? LiFe-Speicher jedenfalls nicht Wo ist ein Großspeicher bereits in Betrieb und wie lange Flautenzeiten können damit überbrückt werden?

S. Frage 8. Lithium-Speicher sind längst wirtschaftlich, sonst würde es kein exponentielles Wachstum und 1,4 Mio. Speicher geben (s. www.battery-charts.de) – zudem gibt es seit > 100 Jahren Pumpspeicher bei uns, ebenso Wärmespeicher, Gasspeicher etc.

14

Wie hoch sind die Kosten für Speicherlösungen?

S. Frage 8 + Buchempfehlung

15

Müssen Stadtwerke auch in Generationen denken und nicht in Wirtschaftserfolgen? Verhinderungspolitik von BürgerEnergieWerken bzgl. Wärme aufgeben.

Stadtwerke sind überwiegend in kommunaler Hand und darüber auch dem Allgemeinwohl verpflichtet.

16

Neue Solaranlagen sollten mit Batteriespeicher gebaut werden! Gibt es eine Empfehlung zum Verhältnis zB 5:1 solar:Speicher ?

Das hängt sehr von der Anwendung ab. Für Hausspeicher ist eine Speichergröße in Höhe des kWh Verbrauchs einer Nacht im Herbst ausreichend. Für Gewerbespeicher hängt die Auslegung am Industriezweig. Für Großbatteriespeicher wird meistens die maximale Anschlussleistung vom Netzanschluss gewählt und eine Speicherkapazität im Verhältnis von 2:1 zur Leistung.

17

Wie werden sich die Erträge bei der Bürgerbeteiligung entwickeln, wenn immer öfter mit Negativpreisen zu rechnen ist?

Wir werden in der Wirtschaftlichkeitsberechnung für negative Strompreisfenster einen entsprechenden Sicherheitsabschlag vornehmen. Sollten diese künftig deutlich stärker zunehmen, wird sich hierauf ein Markt einstellen, der diese Zeitfenster nutzt. So könnten diese für die Wärmeerzeugung, zur el. Zwischenspeicherung oder zur Wasser­stofferzeugung genutzt werden.

18

Wieviel Wald muss für ein WKA gerodet werden

Es werden für die Bauzeit rund 9.000 m² baumfreie Fläche benötigt. Am Ende bleiben ca. 3.000 m² baumfreie Flächen für das Fundament und den WEA-Mast sowie die Kranstellfläche bestehen. Die restlichen Flächen werden tiefengelockert und wieder aufgeforstet.

19

Frau Kössinger, warum riskieren Sie die Zerstörung unserer Wälder und Heimat, obwohl die Energiewende jetzt schon vor die Wand gefahren ist? Die Industrie wandert ab.

Die Frage entspricht nicht der Realität. Die Industrie fordert mehr erneuerbare Energie. Dort wo zu wenig ist, wandert die Industrie ab oder investiert dort erst gar nicht.

Wie abhängig die Industrie von Strom ist, der aus heimischer regenerativer Energie ist, zeigte der Ukraine-Krieg mit den extrem angestiegenen Strom- und Gaspreisen.

20

Nachdem es hier ein Monopolgeschäft ist (1 Anbieter), wie wird transparent, dass die Kosten der WKA-Errichtung nicht zu hoch angesetzt werden? Mit Subvention EEG ist ja fast alles „wirtschaftlich“

Der Gesamtpreis kann nach Durchführung gut mit Gesamtprojektkosten ähnlicher Projekte verglichen werden. Der Projektentwickler sichert darüber hinaus zu, dass er am Ende in der Betreibergesellschaft mit 20 % des erforderlichen Eigenkapitals selbst mit investiert. Zudem hat er in der Region schon mehrere Bürgerwindprojekte umgesetzt, die erfolgreich laufen und in allen ist er ebenso investiert.

21

Können sich auch Bürger aus anderen Würmtalgemeinden (Planegg, Krailling) beteiligen?

Es sollen sich in erster Linie die Bürger/innen der Gemeinde Gauting beteiligen dürfen. Wenn diese die erforderliche Eigenkapitalquote nicht erbringen, wird die Beteiligung weiter um die WEA-Standorte hin zu den Nachbargemeinden geöffnet. Ähnlich wird die Beteiligung über die Energiegenossenschaft ablaufen.

22

Wie können Sie glauben, dass für Sie alle Hinderungsgründe nicht gelten? Luftsicherheit, Artenschutz, falsche Höhe 210 m?

Wir werden die gesetzlichen Vorgaben des Artenschutzes einhalten. Auch die Thematik der Höhenbegrenzung aus dem FNP ist rechtlich geklärt und gilt nicht. Die Thematik der zivilen Luftfahrt wird durch ein Gutachterbüro bearbeitet. Von dort können Einschränkungen für das Projekt wirken.

23

Ideelle Bürgerbeteiligung: Wie kann es gelingen, dass Bürger*innen (Eltern, Großeltern) STOLZ sind, auf Windräder zu blicken und ihren Kindern, Enkelkindern davon erzählen, dass sie daran beteiligt waren, damit einen Beitrag zum Klimaschutz geleistet zu haben?

Sprechen Sie gerne mit Berger Bürgern, die unweit von Gauting leben. Wer wissenschaftlich die aktuell für alle erlebbare Klimaveränderung betrachtet, hat keine andere Wahl als aktiv umzusteigen. [RS]

Wenn es uns gelingt, dass die die Gemeinde nicht nur energieautark wird, sondern auch ihren Beitrag zum Klimapakt im Landkreis Starnberg erfüllt, nach dem der Landkreis im Jahr 2035 ausschließlich aus erneuerbaren Energien versorgt werden soll, können wir alle stolz darauf sein, hierbei mitgewirkt zu haben.

24

Was passiert nach 20 Jahren, wenn die Förderung ausläuft? Wer trägt die Rückbaukosten? (Beton 4 Meter tief)

Vor dem Baubeginn sind die kompletten Rückbaukosten in Form von Bargeldhinterlegung oder einer Bankbürgschaft dem LRA zu übereignen. Zudem werden diese Kosten alle 5 Jahre inflationsbereinigt. Die Fundamente bauen wir nur noch 50 cm tief.

25

Hat die Gemeinde Gauting bei Ausübung der Option aus dem Optionsvertrag einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Erhalt von Gesellschaftsanteilen an der Bürgerwind-Gesellschaft?

Wurde bereits am 03.07. beantwortet mit JA

26

Sie haben erläutert, dass die Gemeinde keinen Einfluss hat. Ist das nicht ein Armutszeugnis?

Die Gemeinde hat auch keinen Einfluss darauf, welchem Landwirt ein Grundstückseigentümer seine Flächen verpachtet. So auch hier nicht auf die Landeigentümer Staatsforsten oder die örtlichen Waldeigentümer.

27

Warum gibt es nicht mehr interkommunale Projekte für WKA? „Gemeinsam sind wir stärker“

Es gibt einige interkommunale WEA-Bürgerprojekte. Beispiele hierfür sind das Projekt im Hofoldinger Forst (Sauerlach, Otterfing, Aying), das im Höhenkirchner Forst (Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Egmating, Oberpframmern), im Hochfeld Kreis Augsburg/Landsberg (Langerringen, Ober- und Untermeitingen) oder im Ostallgäu (Oberostendorf und Jengen) usw.

Diese erfordern einen sehr hohen Abstimmungsaufwand, machen aber Sinn, wenn Grenzübergreifend große Windenergiegebiete ausgewiesen sind. Hier in Gauting gibt es nur im Buchendorfer Wald im Süden eine Verbindung zum Stadtgebiet Starnberg, welche eine interkommunale Zusammenarbeit u.E. nicht sicher begünstigt. [RS]

Wir gehen davon aus, dass aufgrund des Bürgerbeteiligungsmodells alle dann genehmigten Projekte auch umgesetzt werden können.

28

Wird der Strompreis für die Bürger billiger [, wenn WKA in der Gemeinde laufen, nehme ich an]

Derzeit gibt es keine Modelle, über den örtlich erzeugten Wind- oder PV-Strom den Verbrauchern einen günstigeren als am Markt befindlichen Strompreis zu bieten. Wir hoffen, dass sich hier die Gesetze ändern und z.B. deutlich geringere Netznutzungsentgelte für örtlich bezogenen Strom gelten. Dann könnten z.B. bis zu 7 Ct/kWh eingespart werden.

29

Wieviele weitere Bewerber gab es und nach welchen Kriterien wurde ausgewählt? Bieterverfahren, Ausschreibung? Welche Alternativen wurden statt Windkraft intensiv verfolgt?

Die Gemeinde unterstützt erneuerbare Energien, wo irgend möglich, allerdings benötigen auch Wärmepumpen Strom. Die Gemeinde setzt deshalb auf Fotovoltaik und Windkraft und hofft, dass auch das Geothermieprojekt als erneuerbare Wärmequelle erfolgreich sein wird.

Die weiteren Bewerber haben kein Bürgerbeteiligungsmodell angeboten, dieses war aber ausschlaggebendes Kriterium für unsere Auswahl, ebenso wie das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit, das sich das Ingenieurbüro bereits durch die erfolgreiche Durchführung anderer Projekte in der Region erarbeitet hat.